Dienstag, 12. Dezember 2023

Der Elektronenspin


Electron spin explained: imagine
a ball that's rotating, except that
it's not a ball and it's not rotating

Der Spin ist eine unanschauliche quantenmechanische Eigenschaft mancher Elementarteilchen, wie z.B. des Elektrons. Man kann sich ihn aber (vereinfacht und für unsere Zwecke genügend) als Rotation des Elektrons um die eigene Achse vorstellen. Die beiden entgegen­ge­setzten Drehrichtungen bezeichnet man als "Spin up" und "Spin down" (vom Englischen "spin" = "drehen, kreiseln"); man kann den Spin mit einem nach oben bzw. nach unten gerichteten Pfeil veranschaulichen.

In einem Magnetfeld verhalten sich Elektronen wie winzige Magnete und richten ihren Spin in Richtung des Magnetfeldes aus. Bringt man also eine grosse Anzahl Elektronen in ein (homogenes) Magnetfeld, weisen nach kürzester Zeit allesamt Spin up (bezüglich dieses Feldes) auf. So können wir eine grosse Anzahl Elektronen mit bekanntem Spin als "Ausgangsmaterial" für das eigentliche Experiment bereitstellen.

(Dieses Bereitstellen von Elementarteilchen mit bekanntem Zustand als Ausgangsmaterial für ein bestimmtes Experiment nennt man "Präparieren".)

Nun zum eigentlichen Experiment:

Kippt man nun das Magnetfeld um einen beliebigen Winkel, weisen wiederum nach kürzester Zeit alle Elektronen Spin up bezüglich dieses neu ausgerichteten Feldes auf. Doch beim neu Ausrichten kann zweierlei geschehen: jedes einzelne Elektron gibt dabei eine winzige Menge Energie (in Form eines Photons) ab oder es gibt keine Energie ab. - Obwohl also anfangs alle Elektronen in exakt demselben Zustand sind (Spin up bezüglich des ersten Feldes), verhalten sie sich beim neu Ausrichten unter­schiedlich: einzelne Elektronen emittieren dabei ein Photon, andere nicht.


  Spin up und Spin down

Bei jenen Elektronen, die kein Photon aussenden, spricht man von Spin up, bei jenen, die ein Photon emittieren, von Spin down. (Um ein Elektron entgegen der Feld­richtung "festzuhalten", müsste man ja Energie aufwen­den, und diese Energie wird nun beim Ausrichten frei­gegeben.)

Spin up: beim Ausrichten im Magnetfeld wird kein Photon emittiert
Spin down: beim Ausrichten im Magnetfeld wird ein Photon emittiert

Die Energie (bzw. Frequenz) der einzelnen emittierten Photonen ist immer dieselbe, egal um welchen Winkel man das Magnetfeld kippt. Das ist erstaunlich, würde man doch erwarten, dass je grösser der Winkel desto grösser auch die "Ausrichtungsarbeit" bzw. die Energie der einzelnen ausgesandten Photonen ist.

Wahrscheinlichkeit

Fragt man nach den einzelnen Elektronen, welche nun bei einer Neuausrichtung des Feldes Spin up und welche Spin down aufweisen: das kann man - da eben alle präparierten Elektronen exakt denselben Zustand aufweisen - prinzipiell nicht voraussagen.

Man kann aber bei einer grossen Anzahl von Elektronen für jeden gewählten Winkel voraussagen bzw. vorausberechnen, wie gross der Anteil an Elektronen mit Spin up und Spin down sein wird; in anderen Worten, wieviele Elektronen beim Prozess ein Photon emittieren werden.

Nehmen wir an, das Feld steht anfangs senkrecht. Kippen wir es nun um einen kleineren Winkel, z.B. um 30° oder 45°, finden wir, dass nur wenige Elektonen ein Photon emittieren. Bei einem Winkel von 90° (in die Waagrechte), geben genau die Hälfte der Elektronen ein Photon ab; vergrössern wir den Winkel weiter, sind es immer mehr Elektronen mit Spin down. Bis beim Kippen um 180° alle Elektronen (100%) ein Photon emittieren.

(Wie man diesen Anteil berechnet, zeige ich später bei der Polarisation des Lichts; es ist gar nicht schwierig.)

Hier begegnen wir bereits einer ersten "Seltsamkeit" ("weirdness") der QM
oder: Der "Tod des Determinismus"

Unser "Ausgangsmaterial" (die präparierten Elektronen) sind ALLESAMT in EXAKT DEMSELBEN ZUSTAND; sie weisen alle Spin up bezüglich des senkrecht ausgerichteten Feldes auf. Wie kommt es dann, dass ein Teil der Elektronen beim neu Ausrichten ein Photon emittiert und ein Teil nicht? Niemand kann das beantworten - genau das wird zwar im Experiment beobachtet, aber will man voraussagen, ob ein einzelnes Elektron ein Photon emittieren wird oder nicht, ist das prinzipiell nicht möglich; es gibt keine den Ausgang bestimmende Faktoren, bzw. keine Ursache für das eine oder andere Verhalten (man spricht hier oft von AKAUSALITÄT).

Wir können es also unmöglich voraussagen, es ist reiner Zufall, ob ein Photon ausgesandt wird oder nicht (in der QM nennt man es "objektiver Zufall").

Es handelt sich hier nicht um dieselbe Art von Zufall wie beim Münzewerfen zum Beispiel: beim Werfen einer Münze bestimmten viele Faktoren, ob wir Kopf oder Zahl erhalten werden; Faktoren, die wir zwar im Einzelnen nicht kennen, die aber dennoch den Ausgang (vorher-)bestimmen. Nicht so in der QM: der Ausgang ist in keiner Weise vorherbestimmt. Es existieren keine (unbekannten) Faktoren, die bestimmen, ob ein einzelnes Elektron ein Photon emittieren wird oder nicht. Der Zustand des Elektrons ist vor der Messung indeterminiert.

Es ist also in gewisser Weise* so, dass erst das Experiment, also die Messung bestimmt, ob das Elektron Spin up oder Spin down hat; vor der Messung ist sein Zustand eben indeterminiert: weder Spin up noch Spin down, oder sowohl als auch (*nicht nur "in gewisser Weise", sondern es ist tatsächlich so, dass erst die Messung den Zustand festlegt. Der Messprozess stellt den gemessenen Zustand also nicht fest, sondern her).

Wir können zwar sagen, dass beim Kippen in die Waagrechte (um 90°) ein einzelnes Elektron mit 50%iger Wahrscheinlichkeit ein Photon emittieren wird, oder beim Kippen um 45° mit kleinerer (ca. 15%iger) Wahrscheinlichkeit, ob dann aber tatsächlich ein Photon ausgesandt wird oder nicht, ist nicht voraussagbar - es ist reiner Zufall.

Diesen unbestimmten oder indeterminierten Zustand des "sowohl als auch" vor einer Messung nennt man Superposition: die beiden Möglichkeiten "überlagern" sich quasi, das Elektron hat vor der Messung weder Spin up noch Spin down, sondern es existiert in einer "Überlagerung" der beiden möglichen Zustände.

(Dass dem wirklich so ist, und der Spin nicht schon festgelegt und nur nicht bekannt ist, zeigt sich z.B. beim Doppelspaltexperiment, zu dem wir noch kommen werden.)

(Einzig beim Kippen des Magnetfeldes um 180° können wir mit Sicherheit sagen, dass jedes Elektron ein Photon emittieren wird, da in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit für Spin up gleich Null ist. Mehr dazu beim Berechnen der Wahrscheinlichkeiten.)

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