Dienstag, 12. Dezember 2023

Der Quanten-Radierer

Die Bezeichnung "Quantenradierer" mag etwas "mysteriös" klingen, es zeigt sich aber, dass das folgende Experiment nichts Neues hergibt, es also zu keinen neuen Erkenntnissen führt.

So heisst es auch im Wikipedia-Artikel zum Quantenradierer*:

«Das Experiment hat innerhalb und ausserhalb der Physik Aufmerksamkeit erregt, deckt aber keine neuartigen Eigenschaften der Quantenobjekte auf. Insbesondere überschreitet es nicht den Rahmen der verbreiteten Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik, sondern ist bei sorgfältiger Formulierung vollständig mit den bekannten Regeln der Quantenmechanik zu erklären.»

(*Ich empfehle den Artikel nicht, er scheint mir in weiten Teilen unklar wenn nicht gar irreführend - und genau obiger Abschnitt stammt nicht vom Verfasser, sondern wurde von einem Leser ergänzt.)

Wir wiederholen unser Doppelspalt-Experiment, diesmal mit Photonen, und anstelle der beiden Spalten plazieren wir zwei Polarisationsfilter, das eine vertikal und das andere horizontal polarisiert. Nun feuern wir Photonen auf die Trennwand: manche werden von der Trennwand absorbiert oder reflektiert. Jene, die den vertikalen Polarisationsfilter passieren, sind nun ihrerseits vertikal polarisiert und jene, die den horizontalen Filter passieren horizontal. Photonen mit zueinander senkrechter Polarisation können aber nicht interferieren, und so entstehen auf dem dahinter­liegenden Schirm zwei parallele Streifen (Beugungsmuster).

Nun können wir hinter den ersten beiden Polarisationsfiltern zwei weitere aufstellen, beide mit einem Polarisationswinkel von 45°. Sowohl die Hälfte der vertikal wie die Hälfte der horizontal polarisierten Photonen werden diese Filter passieren; allesamt weisen danach ihrerseits eine Polarisation von 45° auf, und es entsteht wie erwartet ein Interferenzmuster auf dem Schirm.

Fragen wir nun aber, durch welchen der (ersten) beiden Filter ein einzelnes Photon gegangen ist, können wir dies unmöglich beantworten. Die "Welche-Weg-Information", die wir ohne die beiden zwischengeschalteten 45°-Filter gewonnen hätten, wurde durch diese zweiten Filter ausgelöscht, oder eben "ausradiert".

Doch welche neuen Erkenntnisse haben wir aus diesem Experiment gewonnen? Genau dies würden wir doch aus dem bisherigen auch erwarten. Und bis hierhin liesse es sich wiederum auch mit der klassischen Physik erklären.

Wie es ein Diskussionsteilnehmer in einem Forum einmal schön formulierte: "The quantum eraser experiment seems to me to be a way to investigate a non-promblem, ..."

Anders als beim Doppelspaltexperiment, bei dem eine Ortsmessung bei einem der Spalten zu uns nicht dazu berechtigt, zu sagen, das Elektron sei durch diesen Spalt gegangen (siehe "Doppelspalt­experiment"), ist es hier sinnvoll, von einer "Welcher-Weg-Information" zu sprechen, da diese nicht durch eine nachträgliche Messung gewonnen wurde, sondern infolge des Durchgangs entweder durch den senkrecht oder den waagrecht ausgerichteten Polarisationsfilter.

"Delayed Choice Quantum Eraser"

Unter diesem Begriff ("quantum eraser" ist Englisch für Quantenradierer) wurde ein Experiment bekannt, das für grosses Aufsehen sorgt(e). Durch eine unglückliche Formulierung im Originalpaper wurde in der Populärliteratur das Missverständnis verbreitet, bei dem Experiment werde ein Zustand rückwirkend festgelegt, dass also Ursache und Wirkung in zeitlich umgekehrter Reihenfolge erfolgen.

Doch das ist falsch und eben einem Missverständnis geschuldet, wie z.B. in diesem Video (auf Englisch) erläutert. Es finden sich zahlreiche Videos und Artikel zu diesem "sensationellen" Experiment, ob auch weitere richtigstellende Videos wie obiges ist mir nicht bekannt.

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