Dienstag, 12. Dezember 2023

Das EPR-Experiment und die Nichtlokalität in der QM

Dieses Gedankenexperiment wurde ursprünglich 1935 von Albert Einstein und seinen Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen erdacht, um die (ihrer Meinung nach) Unvollständigkeit der Quantentheorie, genauer der Kopenhagener Deutung, aufzu­zeigen; später - als es technisch möglich war - wurde es auch tatsächlich durchgeführt.

Dazu benötigt man verschränkte Teilchen, z.B. Photonen. Solche kann man auch im Labor erzeugen, indem man Photonen durch ein spezielles Kristall hindurchschickt, wobei sie sich in je zwei Photonen mit je halber Energie, d.h. halber Frequenz, aufteilen, die in entgegengesetzte Richtungen davonfliegen. So erzeugte verschränkte Photonen sind immer senkrecht (also im Winkel von 90°) zueinander polarisiert.

Sagen wir, das eine Photon ist beim Verlassen des Kristalls vertikal (0°) und das andere horizontal (90°) polarisiert. Nun stellen wir zwei Polarisationsfilter in gleichem Abstand zur Photonenquelle (dem Kristall) auf, beide mit einem Polarisationswinkel von 45°.

Welche Messergebnisse würden wir erwarten?

Beide Photonen weisen eine Polarisation von 45° bezüglich "ihres" Polarisationsfilters auf, somit ergibt sich für jedes Photon eine Wahrscheinlichkeit von ½ oder 50%, das Filter zu passieren oder nicht (so beobachten wir es in Experimenten mit nicht verschränkten Photonen).

Wir haben somit 4 mögliche "Szenarien", die mit gleicher Wahrscheinlichkeit eintreten können:
1. beide Photonen gehen durch das Filter
2. beide Photonen werden abgeblockt
3. das erste Photon passiert den Filter und das zweite nicht
4. das zweite Photon passiert den Filter und das erste nicht

Die Möglichkeiten 3 und 4 beobachten wir aber NIE, es gehen IMMER entweder beide hindurch oder beide werden abgeblockt.

Wir könnten das Ganze mit beliebigen anderen Winkeln durchspielen, doch egal, welchen Winkel wir wählen, es ergeben sich - wenn wir die beiden Photonen separat betrachten - immer vier mögliche Szenerien; wir beobachten aber immer nur eines der ersten beiden, selbst wenn die beiden Polarisationsfilter meilenweit oder gar Lichtjahre voneinander entfernt sind.

Wie ist das möglich?

Findet eine Messung an einem der Teilchen statt, wird damit instantan der Zustand BEIDER "Zwillingsteilchen" festgelegt (unabhängig von deren Entfernung zum Zeitpunkt der Messung). Wir haben dann also auch für das andere Photon eine 100%-ige Wahscheinlichkeit, dass es den Filter ebenfalls passiert (oder nicht passiert). Wir können verschränkte Teilchen also nicht als separate "Entitäten" betrachten, wollen wir mit dem Experiment übereinstimmende Vorhersagen machen.

Um diesem Sachverhalt gerecht zu werden (und als "Ausgang aus dem Dilemma"), rechnen die Physiker mit EINER Wahrscheinlichkeitswelle für beide Zwillingsteilchen, und die Messung eines Teilchens entspricht dann dem Kollaps der gemeinsamen Wellenfunktion.

So erhält man mit dem Experiment übereinstimmende Ergebnisse und mathematisch korrekte Vorhersagen über das Verhalten des Gesamtsystems - doch es eröffnet sich dafür ein anderes Dilemma:

Die beiden Teilchen können bei der Messung eine beliebige Entfernung zueinander haben - wie ist es möglich, dass eine Messung an Ort A instantan, ohne Zeitver­zöge­rung, den Zustand auch des Teilchens an Ort B festlegt?

Einstein nannte es "spukhafte Fernwirkung"; da ein solches Konzept aber nicht so recht in eine physikalishe Theorie passt, wird es als "Nichtlokalität" bezeichnet.

Mit "Lokalität" ist gemeint, dass eine Ursache nur "lokal", also örtlich begrenzt eine Wirkung haben kann. Diese Wirkung kann sich fortpflanzen, aber immer nur von einem benachbarten Ort zum nächsten. Wirft man beispielsweise einen Stein ins Wasser, entstehen zuerst am Aufschlagsort Wellen, die sich dann durch Anstos­sen der benachbarten Wassermoleküle weiter ausbreiten; es entstehen nicht gleich am weit entfernten Ufer Wellen.

Nicht so bei der "spukhaften Fernwirkung", die zwischen verschränkten Teilchen besteht: eine Zustandsmessung bei einem der Teilchen bewirkt instantan, ohne Zeit­verzögerung, auch eine Festlegung des Zustands des (weit entfernten) "Zwillings­teilchens".

Das EPR-Experiment zeigt die Nichtlokalität in der Quantenphysik besonders deutlich auf, doch sie zeigt sich auch allgemein beim Kollaps der Wellenfunktion, wenn man beispielsweise den Ort eines Elektrons misst: Aus einer Superposition aller von der Wahrscheinlichkeitswelle zugelassenen Orte wird mit der Messung instantan Gewissheit für den Ort, wo das Elektron gemessen wird, und zeitgleich (ohne Zeit­verzögerung) die Wahrscheinlichkeit für alle anderen Orte gleich null. (Selbst wenn in diesem Fall die Entfernungen verschwindend klein sind, so kann eine Wirkung doch nicht instantan, sondern nur mit einer verschwindend kleinen Zeitverzögerung erfolgen.)

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