Dienstag, 12. Dezember 2023

Der Elektronenspin


Electron spin explained: imagine
a ball that's rotating, except that
it's not a ball and it's not rotating

Der Spin ist eine unanschauliche quantenmechanische Eigenschaft mancher Elementarteilchen, wie z.B. des Elektrons. Man kann sich ihn aber (vereinfacht und für unsere Zwecke genügend) als Rotation des Elektrons um die eigene Achse vorstellen. Die beiden entgegen­ge­setzten Drehrichtungen bezeichnet man als "Spin up" und "Spin down" (vom Englischen "spin" = "drehen, kreiseln"); man kann den Spin mit einem nach oben bzw. nach unten gerichteten Pfeil veranschaulichen.

In einem Magnetfeld verhalten sich Elektronen wie winzige Magnete und richten ihren Spin in Richtung des Magnetfeldes aus. Bringt man also eine grosse Anzahl Elektronen in ein (homogenes) Magnetfeld, weisen nach kürzester Zeit allesamt Spin up (bezüglich dieses Feldes) auf. So können wir eine grosse Anzahl Elektronen mit bekanntem Spin als "Ausgangsmaterial" für das eigentliche Experiment bereitstellen.

(Dieses Bereitstellen von Elementarteilchen mit bekanntem Zustand als Ausgangsmaterial für ein bestimmtes Experiment nennt man "Präparieren".)

Nun zum eigentlichen Experiment:

Kippt man nun das Magnetfeld um einen beliebigen Winkel, weisen wiederum nach kürzester Zeit alle Elektronen Spin up bezüglich dieses neu ausgerichteten Feldes auf. Doch beim neu Ausrichten kann zweierlei geschehen: jedes einzelne Elektron gibt dabei eine winzige Menge Energie (in Form eines Photons) ab oder es gibt keine Energie ab. - Obwohl also anfangs alle Elektronen in exakt demselben Zustand sind (Spin up bezüglich des ersten Feldes), verhalten sie sich beim neu Ausrichten unter­schiedlich: einzelne Elektronen emittieren dabei ein Photon, andere nicht.


  Spin up und Spin down

Bei jenen Elektronen, die kein Photon aussenden, spricht man von Spin up, bei jenen, die ein Photon emittieren, von Spin down. (Um ein Elektron entgegen der Feld­richtung "festzuhalten", müsste man ja Energie aufwen­den, und diese Energie wird nun beim Ausrichten frei­gegeben.)

Spin up: beim Ausrichten im Magnetfeld wird kein Photon emittiert
Spin down: beim Ausrichten im Magnetfeld wird ein Photon emittiert

Die Energie (bzw. Frequenz) der einzelnen emittierten Photonen ist immer dieselbe, egal um welchen Winkel man das Magnetfeld kippt. Das ist erstaunlich, würde man doch erwarten, dass je grösser der Winkel desto grösser auch die "Ausrichtungsarbeit" bzw. die Energie der einzelnen ausgesandten Photonen ist.

Wahrscheinlichkeit

Fragt man nach den einzelnen Elektronen, welche nun bei einer Neuausrichtung des Feldes Spin up und welche Spin down aufweisen: das kann man - da eben alle präparierten Elektronen exakt denselben Zustand aufweisen - prinzipiell nicht voraussagen.

Man kann aber bei einer grossen Anzahl von Elektronen für jeden gewählten Winkel voraussagen bzw. vorausberechnen, wie gross der Anteil an Elektronen mit Spin up und Spin down sein wird; in anderen Worten, wieviele Elektronen beim Prozess ein Photon emittieren werden.

Nehmen wir an, das Feld steht anfangs senkrecht. Kippen wir es nun um einen kleineren Winkel, z.B. um 30° oder 45°, finden wir, dass nur wenige Elektonen ein Photon emittieren. Bei einem Winkel von 90° (in die Waagrechte), geben genau die Hälfte der Elektronen ein Photon ab; vergrössern wir den Winkel weiter, sind es immer mehr Elektronen mit Spin down. Bis beim Kippen um 180° alle Elektronen (100%) ein Photon emittieren.

(Wie man diesen Anteil berechnet, zeige ich später bei der Polarisation des Lichts; es ist gar nicht schwierig.)

Hier begegnen wir bereits einer ersten "Seltsamkeit" ("weirdness") der QM
oder: Der "Tod des Determinismus"

Unser "Ausgangsmaterial" (die präparierten Elektronen) sind ALLESAMT in EXAKT DEMSELBEN ZUSTAND; sie weisen alle Spin up bezüglich des senkrecht ausgerichteten Feldes auf. Wie kommt es dann, dass ein Teil der Elektronen beim neu Ausrichten ein Photon emittiert und ein Teil nicht? Niemand kann das beantworten - genau das wird zwar im Experiment beobachtet, aber will man voraussagen, ob ein einzelnes Elektron ein Photon emittieren wird oder nicht, ist das prinzipiell nicht möglich; es gibt keine den Ausgang bestimmende Faktoren, bzw. keine Ursache für das eine oder andere Verhalten (man spricht hier oft von AKAUSALITÄT).

Wir können es also unmöglich voraussagen, es ist reiner Zufall, ob ein Photon ausgesandt wird oder nicht (in der QM nennt man es "objektiver Zufall").

Es handelt sich hier nicht um dieselbe Art von Zufall wie beim Münzewerfen zum Beispiel: beim Werfen einer Münze bestimmten viele Faktoren, ob wir Kopf oder Zahl erhalten werden; Faktoren, die wir zwar im Einzelnen nicht kennen, die aber dennoch den Ausgang (vorher-)bestimmen. Nicht so in der QM: der Ausgang ist in keiner Weise vorherbestimmt. Es existieren keine (unbekannten) Faktoren, die bestimmen, ob ein einzelnes Elektron ein Photon emittieren wird oder nicht. Der Zustand des Elektrons ist vor der Messung indeterminiert.

Es ist also in gewisser Weise* so, dass erst das Experiment, also die Messung bestimmt, ob das Elektron Spin up oder Spin down hat; vor der Messung ist sein Zustand eben indeterminiert: weder Spin up noch Spin down, oder sowohl als auch (*nicht nur "in gewisser Weise", sondern es ist tatsächlich so, dass erst die Messung den Zustand festlegt. Der Messprozess stellt den gemessenen Zustand also nicht fest, sondern her).

Wir können zwar sagen, dass beim Kippen in die Waagrechte (um 90°) ein einzelnes Elektron mit 50%iger Wahrscheinlichkeit ein Photon emittieren wird, oder beim Kippen um 45° mit kleinerer (ca. 15%iger) Wahrscheinlichkeit, ob dann aber tatsächlich ein Photon ausgesandt wird oder nicht, ist nicht voraussagbar - es ist reiner Zufall.

Diesen unbestimmten oder indeterminierten Zustand des "sowohl als auch" vor einer Messung nennt man Superposition: die beiden Möglichkeiten "überlagern" sich quasi, das Elektron hat vor der Messung weder Spin up noch Spin down, sondern es existiert in einer "Überlagerung" der beiden möglichen Zustände.

(Dass dem wirklich so ist, und der Spin nicht schon festgelegt und nur nicht bekannt ist, zeigt sich z.B. beim Doppelspaltexperiment, zu dem wir noch kommen werden.)

(Einzig beim Kippen des Magnetfeldes um 180° können wir mit Sicherheit sagen, dass jedes Elektron ein Photon emittieren wird, da in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit für Spin up gleich Null ist. Mehr dazu beim Berechnen der Wahrscheinlichkeiten.)

Was ist Licht?

Newton nahm an, dass Licht aus kleinsten Partikeln, den "Korpuskeln" besteht, und so wurde es bis ins 18. Jahrhundert hinein gelehrt. Bis um 1800 Thomas Young bei seinen Experimenten, in denen er Licht durch einen schmalen Doppelspalt schickte, fand, dass die dabei beobachteten Interferenzerscheinungen nur erklärt werden konnten, wenn man annahm, dass Licht sich wie eine Welle ausbreitet.

1864 formulierte dann James Clerk Maxwell seine berühmten Gleichungen zum Elektromagnetismus, die für elektromagnetische Wellen eine Aus­breitungsgeschwindigkeit voraussagten, die mit der damals schon bekannten Lichtgeschwindigkeit übereinstimmte: also handelt es sich beim Licht auch um eine elektromagnetische Welle!

Doch Überraschung! 1905 legte Albert Einstein seine Arbeit über den "Photoelektrischen Effekt" vor, welcher nur unter der Annahme erklärt werden kann, dass Licht aus kleinsten Partikeln besteht, den "Lichtquanten" oder "Photonen"; für diese Arbeit erhielt er später den Nobelpreis, und nicht für seine im gleichen Jahr ausgearbeitete Relativitätstheorie (hier eine gut verständliche Erklärung des Photoelektrischen Effekts: naklar.at).

Ist nun das Licht eine Welle oder besteht es aus Teilchen?

Wieder ist die Antwort: sowohl als auch (oder weder noch, solange man kein Experi­ment durchführt, in dem es entweder als Teilchen oder als Welle in Erscheinung tritt).

Bestimmte Eigenschaften oder "Verhaltensweisen" des Lichts kann man sich nur erklären, wenn man annimmt, dass Licht eine Welle ist (z.B. Beugung und Interferenz); andere Eigenschaften nur, wenn man annimmt, dass Licht aus Teilchen besteht, ähnlich kleinen Kügelchen oder Geschossen (z.B. den Compton-Effekt oder den Photoelek­trischen Effekt).

Zum Wellenbild

Bei Wasser- oder Schallwellen sind es die einzelnen Moleküle, die - ausgelöst durch einen Stoss (eine sogenannte "Störung") - elastisch schwingen und dabei ihre Energie auf die benachbarten Moleküle übertragen. Die einzelnen Moleküle bewegen sich dabei kaum in Fortpflanzungsrichtung der Welle, sondern nur auf und ab, wie man schön beobachten kann, wenn man ein Stück Kork auf eine Wasserwelle setzt: es "tanzt" dann auf der Welle auf und ab, bleibt aber mehr oder weniger auf der Stelle.

Wasser- oder Schallwellen bestehen also aus schwin­genden Molekülen, beim Licht hingegen verhält es sich anders: es sind nicht einzelne "Lichtmoleküle", die schwingen, sondern sich abwechselnd gegenseitig erzeugende elektrische und magnetische Felder - es ist also eine elektromagnetische Welle, die sich ausbreitet.

(So kann Licht sich auch im Vakuum ausbreiten, während andere Wellen ein Medium oder einen "Träger" benötigen, beim Wasser eben Wassermoleküle oder beim Schall Luftmoleküle, weshalb man z.B. auf dem Mond, da er keine Atmosphäre besitzt, auch keine Töne hören kann.)

Beugung und Interferenz

Bei der Beugung ist nur eine Welle beteiligt, die sich nach dem Durchgang durch einen Spalt umso mehr auffächert, je schmaler der Spalt ist: es entsteht ein Beugungsmuster.

Auch beim Doppelspaltexperiment hinterlassen die Elektronen oder Photonen - wenn nur eines der Spalten offen ist - ein Beugungsmuster, das nur der Einfachheit halber (und um es nicht mit dem Interfe­renzmuster zu verwechseln) oft nur als "Streifen" bezeichnet wird.

schönes Beugungsmuster an einem Damm
im Meer



      Zwei Wasserwellen überlagern sich
Bei Interferenz hingegen sind zwei oder mehrere Wellen beteiligt, die sich überlagern und so das charkteristische Muster erzeugen.








Polarisation des Lichts

Ein Polarisationsfilter - wie wir ihn auch in Sonnenbrillen z.B. antreffen - lässt nur jenen Anteil an Licht durch, der (nahezu) parallel zur Polarisationsebene schwingt. Der andere Anteil wird zum Teil reflektiert und zum Teil vom Material absorbiert.

Beginnen wir wieder mit der Präparation: Wir lassen unpolarisiertes Licht auf einen vertikal polarisierten Filter auftreffen, so dass alles Licht, das den Filter passiert, nun seinerseits vertikal polarisiert ist. So haben wir unser "Ausgangsmaterial" mit bekannter Polarisation.



Je nach Polarisationswinkel passiert
ein bestimmter Anteil des Lichts
den zweiten Filter

Nun stellen wir einen zweiten, horizontal (also im Winkel von 90° zum ersten) polarisierten Filter hinter den ersten und finden, dass dieser gar kein Licht durchlässt, wie auch intuitiv zu erwarten wäre.

Stellen wir den zweiten Filter mit einem Polarisationswinkel von 45° zum ersten auf, passiert genau die Hälfte des vertikal polarisierten Lichts den Filter (und weist danach seinerseits eine Polarisation von 45° auf).

Bei einem Winkel von 30° werden ¾ oder 75%,
bei einem Winkel von 60° nur mehr ¼ oder 25% des Lichts den zweiten Filter passieren.

Wieder ist es so, dass je nach Polarisationswinkel ein bestimmter Anteil des Lichts das zweite Filter passiert, und diesen Anteil kann man für jeden Winkel berechnen bzw. vorhersagen.

Wie man diesen Anteil wie auch die Wahrscheinlichkeiten beim Experiment mit dem Elektronenspin berechnet, zeige ich im Kapitel "Berechnung der Wahrscheinlichkeiten"; für ein Verständnis der Vorgänge ist dies aber nicht erforderlich.

von der "klassischen" zur Quantenphysik

Die bisherigen Vorhersagen die Polarisation betreffend sind nicht erstaunlich, es sind dies dieselben Ergebnisse, die auch die herkömmliche, die "klassische" Physik, voraussagt; sie resultieren aus den beobachteten Welleneigenschaften des Lichts, und wir brauchen dazu nicht die Quantenphysik zu bemühen.

Die "Seltsamkeiten" treten erst auf, wenn wir nach den einzelnen Photonen fragen; wenn wir ein Experiment durchführen, in dem das Licht als Teilchen in Erscheinung tritt: Wir können hinter dem letzten Polarisationsfilter eine Photoplatte aufstellen, aus der das auftreffende Licht Elektronen herausschlägt. Dieses Herausschlagen von Elektronen kann man sich nur mit dem Teilchenbild des Lichts erklären (siehe "Photoelektrischer Effekt").

Nehmen wir wieder das Experiment mit zwei Polarisationsfiltern, bei dem der erste (wie immer) vertikal polarisiert ist und der zweite im Winkel von 45° zum ersten. Dann wissen wir, dass die Hälfte des Lichts (oder die Hälfte aller Photonen) aus dem ersten Filter auch den zweiten passieren wird und gleich darauf auf die Photoplatte auftrifft.

Fragen wir nun, ob ein einzelnes Photon den zweiten Filter passieren wird, können wir wieder unmöglich eine Voraussage machen. Wir können nur sagen, dass es den Filter mit 50%iger Wahrscheinlichkeit passieren wird - aber ob es dann tatsächlich tut oder nicht ist wieder reiner Zufall.

(Das Experiment lässt sich tatsächlich auch praktisch mit einzelnen Photonen durchführen, so dass nur ein einzelnes Photon aufs Mal die Polarisationsfilter passiert oder eben nicht.)

Wieder ist es so, dass nach Passieren des ersten Filters JEDES Photon EXAKT DIESELBE POLARISATION aufweist; warum passiert dann das eine Photon auch das zweite Filter und ein anderes nicht? Es existiert keine Ursache dafür, sondern es ist reiner Zufall.

Erst das Experiment, die Messung selber, legt fest, ob ein einzelnes Photon den Filter passiert; vor der Messung ist der Zustand des Photons indeterminiert, was gleichbedeutend ist mit: vor der Messung befindet es sich in Superposition, in einer "Überlagerung" der beiden Möglichkeiten.

Hier haben wir eine schöne Analogie zu den Experimenten mit dem Elektronenspin im Magnetfeld - es wird sich indes zeigen, dass man diesem "objektiven Zufall" und der Superposition (= Überlagerung von Zuständen) überall in der Quantenphysik begegnet.

"Verborgene Variablen"

Viele auch der namhaftesten Physiker konnten sich (besonders in den Anfangszeiten der Quantenphysik) nur sehr schwer bis gar nicht mit diesem "objektiven Zufall" bzw. dem Indeterminismus in der Natur abfinden, und sie postulierten, es müsse "verborgene Variablen" geben, die wir nur (noch) nicht kennen, die aber den Zustand eines Teilchens festlegen. Dass also nicht erst die Messung den Zustand festlegt. Dass es doch einen Determinismus gibt und nicht der reine Zufall herrscht; daher auch der Ausspruch Einsteins: "Gott würfelt nicht".

Eine schöne Analogie zu den "verborgenen Variablen" ist die der DNA: danach ist der Zustand, den wir im Experiment messen, dem Teilchen von Anfang an irgendwie "eingeschrieben" (und werden wir diese DNA finden und entschlüsseln können, wäre der Determinismus gerettet).

Obwohl die (seit den Anfängen) allgemein akzeptierte Interpretation der Quantenmechanik (die sog. "Kopenhagener Deutung") besagt, dass dieser "objektive Zufall" der Natur inhärent ist, dass es also ein Wesenszug der Natur selbst ist, war die Frage, ob es "verborgene Variablen" gibt, lange umstritten (und flammt selbst heute noch hie und da auf).

Die "Bellsche Ungleichung"

Erst 1964 konnte John Stewart Bell mathematisch zeigen, dass die Wahrscheinlichkeitsverteilung in den beiden Fällen ("DNA" versus Zufall) nicht dieselbe ist, und im Experiment zeigt sich jene Wahrscheinlichkeitsverteilung, die zu erwarten wäre, wenn Zufall und Indeterminismus herrschen.

Doppelspalt-Experiment

Bei diesem Experiment werden Elementarteilchen, beispielsweise Elektronen, auf eine Trennwand mit zwei parallelen Spalten geschossen. Nach ihrem Durchgang durch die Spalten treffen sie auf einen dahinterliegenden Schirm auf und formen dabei charakterische Muster.

Lässt man nur eine der beiden Spalten offen, sagen wir die rechte, formt sich auf dem Schirm ein Streifenmuster (Beugungsmuster), genau wie wenn wir winzige Geschosse durch die Spalte feuern würden. Desgleichen wenn wir nur die linke Spalte offen lassen.


 Beide Spalten sind offen. Oben: so würden
 sich Kügelchen/Geschosse verhalten; unten:
 Elektronen formen ein Interferenzmuster

Sind beide Spalten gleichzeitig offen, formt sich auf dem Schirm ein Interferenzmuster, genau so wie wir es bei Wellen erwarten würden. Dieses Interferenzmuster lässt sich mit dem Teilchenbild nicht erklären - Teilchen würden zwei parallele Streifen auf dem Schirm hinterlassen.

Wie erklärt sich dieses eindeutige "Wellenmuster"? Eine Annahme wäre, dass die Elektronen zwischen den Spalten und dem Schirm irgendwie miteinander interferieren und dadurch das Interferenzmuster erzeugen. Dass dem nicht so ist, zeigt folgendes:

Wir können (auch praktisch) nur ein einziges Elektron aufs Mal abfeuern, sodass sich jeweils nur dieses eine Elektron zwischen den beiden Spalten und dem Schirm aufhält - und dennoch formt sich, wenn beide Spalten gleichzeitig offen sind (und wenn wir genügend lange warten, also bei einer genügend grossen Anzahl abgefeuerter Elektronen) ein Interfe­renzmuster auf dem Schirm.

Wie lässt sich das erklären? Wir würden doch, wenn nur ein Elektron aufs Mal abgefeuert wird, zwei parallele Streifen erwarten wie wenn jeweils nur eine der beiden Spalten offen wäre. Es ist so, als "wüsste" das Elektron, dass beide Spalten offen sind. Oder als würde es mit sich selber interferieren.

Eine wirkliche Erklärung dafür hat man nicht. Aber einen "mathematischen Forma­lismus", der die beobachteten Phänomene abbildet.

Schrödingers Wellengleichung und deren Interpretation

Bereits 1924 hatte Louis De Broglie "Materiewellen" postuliert; so wie Licht je nachdem als Welle oder als Teilchen in Erscheinung tritt, so sei dies ein Wesens­merk­mal nicht nur der Photonen, sondern auch der Materie.

1926 fand Erwin Schrödinger eine Gleichung, die "Schrödingersche Wellengleichung", von der er später einmal in einem Moment "schierer Verzweiflung" sagen würde, er wollte, er hätte sie nie gefunden. Andere Physiker aber waren ihm dankbar dafür, und Max Born fand einige Zeit später eine geeignete Interpretation.


          Wellenpaket
Danach gibt die Amplitude* der Welle (also ihre jeweilige Höhe) die Wahrschein­lichkeit an, ein Teilchen bei der Messung in einem bestimmten Zustand anzu­treffen (*genauer: die Amplitude im Quadrat). Das gilt für alle quantenmechanischen Zustände, so auch für den Aufenthaltsort eines Teilchens. Ein Elementar­teilchen wie das Elektron ist demnach (auch) ein "Wellenpaket" und damit nicht eindeutig im Raum lokalisierbar.

Erst eine Ortsmessung, wie oben das Auftreffen auf dem Schirm, legt seinen Ort eindeutig fest. Vor der Ortsmessung befindet sich das Elektron in einer Superposition aller vom Wellenpaket zugelassenen Orte. Sein Zustand (hier der Ort) ist vor der Messung indeterminiert, und wo genau wir ihn bei einer Messung antreffen, ist wiederum reiner Zufall.

Dieser instantane Übergang von einer Wahrscheinlichkeitsverteilung (Superposition) zu einem definierten Zustand bei der Messung wird "Kollaps der Wellenfunktion", manchmal auch "Zustandsreduktion" genannt.

Es ist vielleicht noch wichtig hervorzuheben, dass das Elektron (oder andere Teilchen) sich nicht wellenförmig bewegt oder von der Welle mitgetragen wird, sondern das Elektron IST quasi die Welle, in dem Sinne dass es sich an allen vom Wellenpaket erlaubten Orte gleichzeitig befindet (und allgemein in einer Superposition aller von der Wellengleichung erlaubten Zustände).

Zustände in der Quantenphysik

In der QM nennt man eine messbare Grösse "Zustand".

Bei den Experimenten mit dem Elektronenspin oder der Polarisation des Lichts haben wir nur zwei mögliche Zustände: Spin up und Spin down, bzw. Passieren des Polarisationsfilters oder nicht. Dies kann so dargestellt werden:







Die Zahlen vor den eckigen Klammern ("Ket") geben die Wahrscheinlichkeit für die beiden Zustände (Spin up und Spin down) an:   $ \left(\frac{1}{ \sqrt{2}}\right)^2$ = $ \frac{1}{2}$ für Spin up und
$ \frac{1}{2}$ für Spin down.

Bei einer Ortsmessung hingegen haben wir ein kontinuierliches Spektrum an möglichen Aufenthaltsorten für das Teilchen, und die Wahrscheinlich­keitsverteilung für die möglichen Orte entspricht dem "Wellenpaket".

Die Amplitude (jeweilige Höhe) der Welle gibt die Wahrscheinlichkeit für einen bestimmten Ort (auf der x-Achse) an. Eigentlich ist es die Amplitude im Quadrat, wobei auch negative Werte quadriert einen positiven Wert ergeben.






Wie "echt" oder wie "real" ist dieses Wellenpaket?


Wellenpaket: befindet sich das Elektron
hier ODER hier ODER hier - oder hier
UND hier UND hier?

Vor einer Messung können wir also nur die Wahrscheinlich­keiten angeben, wo sich das Teilchen (innerhalb des Wellenpakets) befindet. Bedeutet das, dass sich das Teilchen zu jedem Zeitpunkt an einem bestimmten Ort befindet und die Wellenfunktion nur unsere Unkenntnis des genauen Ortes widerspiegelt?

Alles spricht dafür, dass das Teilchen vor der Messung tatsächlich NICHT an einem bestimmten Ort ist, sondern an allen vom Wellenpaket zugelassenen Orten zugleich; erst eine Messung legt seinen Ort fest.

Am besten lässt sich das am Doppelspaltexperiment verdeutlichen:

Lassen wir abwechselnd nur eine der beiden Spalten offen, während wir nur ein Elektron aufs Mal abfeuern, entstehen auf dem Schirm zwei parallele Streifen (Beu­gungsmuster).


Es scheint, als gehe das Elektron als Welle oder
Wellenpaket durch beide Spalten zugleich, um
hinterher "mit sich selbst zu interferieren".

Sind aber beide Spalten offen, während wir wiederum nur ein Elektron aufs Mal abfeuern, entsteht auf dem Schirm ein Interferenz­muster, als sei das Elektron durch beide Spalten zugleich gegangen um darauf mit sich selbst zu interferieren. Als Teilchen mit wohldefiniertem Ort könnte es ja nur durch einen der beiden Spalten gehen, und es wäre auch hier kein Interferenzmuster zu er­warten.

Erst bei einer Messung (wie es auch das Auftreffen auf dem Schirm ist) "manifestiert" sich das Elektron als Teilchen mit wohldefiniertem Ort; zuvor befindet es sich in Superposition - in einer Überlagerung aller möglichen Zustände.

Es wurde indes nie eine Welle - was gleichbedeutend ist mit einem Teilchen in Superposition - beobachtet; bei einer Messung finden wir immer ein Teilchen mit wohldefiniertem Zustand vor (auf die Welleneigenschaften können wir nur rückblickend schliessen, anhand des Interferenzmusters auf dem Schirm zum Beispiel).

Das Interferenzmuster, das ja nicht entstehen könnte wenn die Teilchen sich wie kleine Kügelchen oder Geschosse verhalten würden, zeigt aber, dass die Überlagerung bzw. Superposition und damit das "Wellenpaket" nicht nur ein rein mathematisches Konstrukt ist, sondern eine Entsprechung in der Realität hat.

Aber welcher Art ist diese Entsprechung? Können wir z.B. wirklich sagen, dass das Elektron als Welle durch beide Spalten zugleich gegangen ist? (Bei einer Messung finden wir ja wie gesagt immer "nur" Teilchen vor).

Was meint die "Kopenhagener Deutung" dazu?

Die Kopenhagener Deutung von 1927 ist (nebst sehr wenigen anderen ernstzuneh­menden) die bis heute unter Physikern am weitesten akzeptierte Interpretation der Quantentheorie, man könnte quasi sagen die "offizielle Deutung". Was meint diese zur Wellenfunktion? (mit "Formalismus" ist hier die mathematische Beschreibung gemeint):

«Ferner wird in dieser Interpretation darauf verzichtet, den Objekten des quan­tentheoretischen Formalismus, also vor allem der Wellenfunktion, eine Realität in unmittelbarem Sinne zuzu­sprechen. Stattdessen werden die Objekte des Formalismus lediglich als Mittel zur Vorhersage der relativen Häufigkeit von Messergebnissen interpretiert, die als die einzigen Elemente der Realität angesehen werden.»
[aus: Wikipedia "Kopenhagener Deutung"; Hervorhebung von mir]

Wichtig finde ich hier das Wort "verzichtet"; es beantwortet z.B. nicht, ob das Elektron durch beide Spalten zugleich gegangen ist, oder was ein Elektron "eigentlich" ist; real ist nur, was messbar ist - alles andere wäre nur Metaphysik, und diese wurde mit der Kopenhagener Deutung aus der Physik verbannt.

(Persönlich habe ich nichts gegen Metaphysik, eher im Gegenteil - wenn sie auch klar als solche bezeichnet wird. Die KD sagt mir dennoch am meisten zu, eben weil sie nichts "scheinbar" zu erklären versucht, sondern auf solches eben verzichtet.

Ein Vergleich: Newton selber war sich sehr bewusst, wie "unmöglich" seine fernwir­kende Kraft, die Gravitation, eigentlich ist. Aber sie scheint das Beobachtete sehr gut zu erklären, so gut, dass sie mit der Zeit zur unhinterfragten Realität und gar zur Selbst­verständlichkeit wurde. Bis Einstein zeigte, dass es die Raumzeit-Krümmung und nicht eine "spukhafte Fernwirkung" ist, die die Planeten auf ihren Bahnen hält.

Newtons Theorie wurde ja damit nicht eigentlich falsch, und wie hätte er sie anders als mit einer "Gravitation" genannten spukhaften Fernwirkung erklären sollen? Nur eben, wenn dieser Spuk dann zur Realität wird, kann dies die Unzulänglichkeiten schön vertuschen und möglicherweise den Weg zu weiterem Forschen versperren.

(Wo denn eine Grenze zwischen Physik und Metaphysik zu ziehen sei, wäre eine noch ganz andere Frage ... vielleicht kann ja letztlich nicht die Logik, sondern "nur" der gesunde Menschenverstand darüber urteilen?)


Kleiner Nachtrag zur "Welche-Weg-Information":

Sehr oft hört man zum Doppelspaltexperiment folgendes:
Lässt man beide Spalten gleichzeitig offen, entsteht auf dem Schirm ein Interfe­renz­muster. Misst man aber (z.B. indem man einen Detektor nahe den Spalten plaziert) durch welchen der beiden Spalten das Elektron gegangen ist, tritt keine Interferenz mehr auf. Die "Welche-Weg-Information" können wir also nur auf Kosten der Interferenz gewinnen.

Diese Aussage finde ich sehr problematisch wenn nicht gar irreführend:
Es ist die Ortsmessung, die Interferenz verhindert ✓. Dass wir dabei in Erfahrung bringen, durch welchen der beiden Spalten das Elektron gegangen ist, widerspricht eigentlich der Quantentheorie, die besagt, dass sich ein Elektron bis zu einer Messung in Superposition, also an allen vom Wellenpaket zugelassenen Orten zugleich befindet. Obige Formulierung aber erweckt den Anschein, als könnten wir nachträglich bestimmen, durch welchen Spalt das Elektron gegangen ist, was Nonsense ist. Selbst wenn wir den Detektor sehr nahe an einem der Spalten zu plazieren, verbietet es die Quantentheorie - wollen wir konsequent sein - zu behaupten, das gemessene Elektron sei durch diesen Spalt gegangen; erst die Messung legt ja seinen Zustand (hier den Ort) rein zufällig fest, und nichts berechtigt uns dazu, anzunehmen, dass - wenn wir jetzt das Elektron am Ort x messen, es sich eine kurze Zeitspanne davor in der Nähe von x befinden musste.

Es war glaube ich Werner Heisenberg, der es schön formulierte:
"Es macht keinen Sinn, von der Bahn eines Elektrons zu sprechen."

Nach längerem vergeblichen Suchen habe ich endlich hier eine Widerlegung dieses weitverbreiteten "Nonsense" gefunden:

«Der Fehler steckt in unserer Ausgangsannahme. Wir vermuteten, dass jedes Elektron durch einen bestimmten, aber unbekannten Spalt geht. Andere Möglichkeiten als "links" oder "rechts" schien es nicht zu geben. In Anbetracht des Versuchsergebnisses ist diese Annahme nicht mehr haltbar. Man kann einem Elektron keinen Spalt zuordnen, durch den es "in Wirklichkeit" gegangen ist. Die Elektronen im Doppelspalt-Experiment besitzen die Eigenschaft "Ort" nicht.»

aus "Qualitative Quantenphysik", Seite 25

Es ist die Ortsmessung, die Interferenz verhindert:
Um überhaupt miteinander interferieren zu können, müssen Wellen (jeglicher Art) kohärent sein, und für das Doppelspaltexperiment präpariert man die Elektronen so, dass sie eben diese Kohärenz aufweisen, oder man verwendet dazu Laserlicht, das auch kohärent ist. Und durch die Ortsmessung geht eben diese Kohärenz verloren, weshalb auch keine Interferenz entsteht.


Die beiden Wellen in der Abbildung sind kohärent zueinander. Sie besitzen die gleiche Frequenz und Amplitude. Ausserdem ist die Phasenverschiebung an jedem Punkt gleich gross, also konstant. Daher sind die beiden Wellen kohärent zueinander.


Das EPR-Experiment und die Nichtlokalität in der QM

Dieses Gedankenexperiment wurde ursprünglich 1935 von Albert Einstein und seinen Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosen erdacht, um die (ihrer Meinung nach) Unvollständigkeit der Quantentheorie, genauer der Kopenhagener Deutung, aufzu­zeigen; später - als es technisch möglich war - wurde es auch tatsächlich durchgeführt.

Dazu benötigt man verschränkte Teilchen, z.B. Photonen. Solche kann man auch im Labor erzeugen, indem man Photonen durch ein spezielles Kristall hindurchschickt, wobei sie sich in je zwei Photonen mit je halber Energie, d.h. halber Frequenz, aufteilen, die in entgegengesetzte Richtungen davonfliegen. So erzeugte verschränkte Photonen sind immer senkrecht (also im Winkel von 90°) zueinander polarisiert.

Sagen wir, das eine Photon ist beim Verlassen des Kristalls vertikal (0°) und das andere horizontal (90°) polarisiert. Nun stellen wir zwei Polarisationsfilter in gleichem Abstand zur Photonenquelle (dem Kristall) auf, beide mit einem Polarisationswinkel von 45°.

Welche Messergebnisse würden wir erwarten?

Beide Photonen weisen eine Polarisation von 45° bezüglich "ihres" Polarisationsfilters auf, somit ergibt sich für jedes Photon eine Wahrscheinlichkeit von ½ oder 50%, das Filter zu passieren oder nicht (so beobachten wir es in Experimenten mit nicht verschränkten Photonen).

Wir haben somit 4 mögliche "Szenarien", die mit gleicher Wahrscheinlichkeit eintreten können:
1. beide Photonen gehen durch das Filter
2. beide Photonen werden abgeblockt
3. das erste Photon passiert den Filter und das zweite nicht
4. das zweite Photon passiert den Filter und das erste nicht

Die Möglichkeiten 3 und 4 beobachten wir aber NIE, es gehen IMMER entweder beide hindurch oder beide werden abgeblockt.

Wir könnten das Ganze mit beliebigen anderen Winkeln durchspielen, doch egal, welchen Winkel wir wählen, es ergeben sich - wenn wir die beiden Photonen separat betrachten - immer vier mögliche Szenerien; wir beobachten aber immer nur eines der ersten beiden, selbst wenn die beiden Polarisationsfilter meilenweit oder gar Lichtjahre voneinander entfernt sind.

Wie ist das möglich?

Findet eine Messung an einem der Teilchen statt, wird damit instantan der Zustand BEIDER "Zwillingsteilchen" festgelegt (unabhängig von deren Entfernung zum Zeitpunkt der Messung). Wir haben dann also auch für das andere Photon eine 100%-ige Wahscheinlichkeit, dass es den Filter ebenfalls passiert (oder nicht passiert). Wir können verschränkte Teilchen also nicht als separate "Entitäten" betrachten, wollen wir mit dem Experiment übereinstimmende Vorhersagen machen.

Um diesem Sachverhalt gerecht zu werden (und als "Ausgang aus dem Dilemma"), rechnen die Physiker mit EINER Wahrscheinlichkeitswelle für beide Zwillingsteilchen, und die Messung eines Teilchens entspricht dann dem Kollaps der gemeinsamen Wellenfunktion.

So erhält man mit dem Experiment übereinstimmende Ergebnisse und mathematisch korrekte Vorhersagen über das Verhalten des Gesamtsystems - doch es eröffnet sich dafür ein anderes Dilemma:

Die beiden Teilchen können bei der Messung eine beliebige Entfernung zueinander haben - wie ist es möglich, dass eine Messung an Ort A instantan, ohne Zeitver­zöge­rung, den Zustand auch des Teilchens an Ort B festlegt?

Einstein nannte es "spukhafte Fernwirkung"; da ein solches Konzept aber nicht so recht in eine physikalishe Theorie passt, wird es als "Nichtlokalität" bezeichnet.

Mit "Lokalität" ist gemeint, dass eine Ursache nur "lokal", also örtlich begrenzt eine Wirkung haben kann. Diese Wirkung kann sich fortpflanzen, aber immer nur von einem benachbarten Ort zum nächsten. Wirft man beispielsweise einen Stein ins Wasser, entstehen zuerst am Aufschlagsort Wellen, die sich dann durch Anstos­sen der benachbarten Wassermoleküle weiter ausbreiten; es entstehen nicht gleich am weit entfernten Ufer Wellen.

Nicht so bei der "spukhaften Fernwirkung", die zwischen verschränkten Teilchen besteht: eine Zustandsmessung bei einem der Teilchen bewirkt instantan, ohne Zeit­verzögerung, auch eine Festlegung des Zustands des (weit entfernten) "Zwillings­teilchens".

Das EPR-Experiment zeigt die Nichtlokalität in der Quantenphysik besonders deutlich auf, doch sie zeigt sich auch allgemein beim Kollaps der Wellenfunktion, wenn man beispielsweise den Ort eines Elektrons misst: Aus einer Superposition aller von der Wahrscheinlichkeitswelle zugelassenen Orte wird mit der Messung instantan Gewissheit für den Ort, wo das Elektron gemessen wird, und zeitgleich (ohne Zeit­verzögerung) die Wahrscheinlichkeit für alle anderen Orte gleich null. (Selbst wenn in diesem Fall die Entfernungen verschwindend klein sind, so kann eine Wirkung doch nicht instantan, sondern nur mit einer verschwindend kleinen Zeitverzögerung erfolgen.)

Heisenbergsche Unschärferelation

Die Heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass man zwei komplementäre Grössen (z.B. den Ort und den Impuls eines Teilchens) nicht gleichzeitig beliebig genau messen kann.

Wie könnte man z.B. den Ort eines Elektrons messen? Man kann dazu Licht möglichst kurzer Wellenlänge verwenden. Eine kurze Wellenlänge aber bedeutet eine hohe Frequenz, und je höher die Frequenz, desto höher ist auch die Energie des Lichts bzw. der Photonen.

Bei einer Messung mit hochfrequentem Licht kann man zwar den Ort des Elektrons genauer "einkreisen", dafür wird sein Impuls durch die Wechselwirkung mit dem energiereichen Photon umso mehr gestört und damit ungewisser.

Verwendet man hingegen Licht einer grösseren Wellenlänge, kann man auch den Ort des Elektrons mit geringerer Genauigkeit festlegen, dafür wird sein Impuls durch die geringere Energie weniger gestört.

Ich verwende dazu gerne die Analogie mit einer Wasserwelle, die durch einen schmalen Spalt geht: Geht eine Wasserwelle durch einen schmalen Spalt, fächert sie sich dahinter umso mehr auf, je schmaler der Spalt ist. Der Durchgang durch den Spalt entspricht dabei der Ortsmessung: je schmaler der Spalt, desto ge­nauer kennen wir den Ort der einzelnen Wassermoleküle. Desto ungenauer dafür de­ren Impuls (der Impuls hat zwei Komponenten, Geschwindigkeit und Richtung).

Diese Unschärfe ist wiederum nicht einer Ungenauigkeit bei der Messung geschuldet, sondern ein Wesenszug der Natur selbst:

Bei einer Ortsmessung erfolgt der Kollaps der Wellenfunktion, das Teilchen befindet sich dann nicht mehr in Superposition, sein Ort wird mit der Messung festgelegt.

genaue und weniger genaue Orts-
messung

Erfolgt eine Ortsmessung sehr genau, ist auch dieser Ort genau festgelegt, erfolgt sie hingegen mit geringerer Genauigkeit (grössere Wellenlänge), ist auch der Ort weniger genau festgelegt, es bleibt also ein "Rest" Superposition bzw. ein schmales Wellenpaket bestehen.

Handkehrum wird bei einer genauen Ortsmessung der Impuls umso unschärfer, da umso mehr gestört wie wir gesehen haben.

Die Superposition kann also niemals bei beiden Grössen (Ort und Impuls) gleichzeitig gänzlich verschwinden. Und dieser "Rest" Superposition oder Unbestimmtheit ist es eigentlich, was die Unschärfe ausmacht.

Mathematisch wird sie so ausgedrückt:

Ortsunschärfe mal Impulsunschärfe kann nicht kleiner sein als eine bestimmte Grösse (das h ist dabei das sogenannte "Plancksche Wirkungsquantum", und ħ entspricht h/2π).

Dieses Bild verdeutlicht auch den Zusammenhang zwischen Orts- und Impuls­un­schärfe: Je schmaler der Spalt (genauere Ortsmessung), desto breiter die Impuls­streuung.

Der Quanten-Radierer

Die Bezeichnung "Quantenradierer" mag etwas "mysteriös" klingen, es zeigt sich aber, dass das folgende Experiment nichts Neues hergibt, es also zu keinen neuen Erkenntnissen führt.

So heisst es auch im Wikipedia-Artikel zum Quantenradierer*:

«Das Experiment hat innerhalb und ausserhalb der Physik Aufmerksamkeit erregt, deckt aber keine neuartigen Eigenschaften der Quantenobjekte auf. Insbesondere überschreitet es nicht den Rahmen der verbreiteten Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik, sondern ist bei sorgfältiger Formulierung vollständig mit den bekannten Regeln der Quantenmechanik zu erklären.»

(*Ich empfehle den Artikel nicht, er scheint mir in weiten Teilen unklar wenn nicht gar irreführend - und genau obiger Abschnitt stammt nicht vom Verfasser, sondern wurde von einem Leser ergänzt.)

Wir wiederholen unser Doppelspalt-Experiment, diesmal mit Photonen, und anstelle der beiden Spalten plazieren wir zwei Polarisationsfilter, das eine vertikal und das andere horizontal polarisiert. Nun feuern wir Photonen auf die Trennwand: manche werden von der Trennwand absorbiert oder reflektiert. Jene, die den vertikalen Polarisationsfilter passieren, sind nun ihrerseits vertikal polarisiert und jene, die den horizontalen Filter passieren horizontal. Photonen mit zueinander senkrechter Polarisation können aber nicht interferieren, und so entstehen auf dem dahinter­liegenden Schirm zwei parallele Streifen (Beugungsmuster).

Nun können wir hinter den ersten beiden Polarisationsfiltern zwei weitere aufstellen, beide mit einem Polarisationswinkel von 45°. Sowohl die Hälfte der vertikal wie die Hälfte der horizontal polarisierten Photonen werden diese Filter passieren; allesamt weisen danach ihrerseits eine Polarisation von 45° auf, und es entsteht wie erwartet ein Interferenzmuster auf dem Schirm.

Fragen wir nun aber, durch welchen der (ersten) beiden Filter ein einzelnes Photon gegangen ist, können wir dies unmöglich beantworten. Die "Welche-Weg-Information", die wir ohne die beiden zwischengeschalteten 45°-Filter gewonnen hätten, wurde durch diese zweiten Filter ausgelöscht, oder eben "ausradiert".

Doch welche neuen Erkenntnisse haben wir aus diesem Experiment gewonnen? Genau dies würden wir doch aus dem bisherigen auch erwarten. Und bis hierhin liesse es sich wiederum auch mit der klassischen Physik erklären.

Wie es ein Diskussionsteilnehmer in einem Forum einmal schön formulierte: "The quantum eraser experiment seems to me to be a way to investigate a non-promblem, ..."

Anders als beim Doppelspaltexperiment, bei dem eine Ortsmessung bei einem der Spalten zu uns nicht dazu berechtigt, zu sagen, das Elektron sei durch diesen Spalt gegangen (siehe "Doppelspalt­experiment"), ist es hier sinnvoll, von einer "Welcher-Weg-Information" zu sprechen, da diese nicht durch eine nachträgliche Messung gewonnen wurde, sondern infolge des Durchgangs entweder durch den senkrecht oder den waagrecht ausgerichteten Polarisationsfilter.

"Delayed Choice Quantum Eraser"

Unter diesem Begriff ("quantum eraser" ist Englisch für Quantenradierer) wurde ein Experiment bekannt, das für grosses Aufsehen sorgt(e). Durch eine unglückliche Formulierung im Originalpaper wurde in der Populärliteratur das Missverständnis verbreitet, bei dem Experiment werde ein Zustand rückwirkend festgelegt, dass also Ursache und Wirkung in zeitlich umgekehrter Reihenfolge erfolgen.

Doch das ist falsch und eben einem Missverständnis geschuldet, wie z.B. in diesem Video (auf Englisch) erläutert. Es finden sich zahlreiche Videos und Artikel zu diesem "sensationellen" Experiment, ob auch weitere richtigstellende Videos wie obiges ist mir nicht bekannt.